Tag der Arbeit – 1. Mai- Ist Berufsorientierung ein Luxusproblem?

Wenn wir vom 1. Mai sprechen, ist eigentlich schon alles klar: Am Tag der Arbeit ist arbeitsfrei, jedenfalls für die allermeisten von uns. Aber was ganz genau dahinter steckt, ist uns vielleicht gar nicht mehr so präsent. Mir zumindest nicht, und deswegen habe ich mich bei Wikipedia ein bisschen schlau gemacht. Schadet ja nicht als Beraterin für Berufsorientierung, oder? 

Die Bezeichnung „Tag der Arbeit“ kenne ich natürlich, aber „Tag der Arbeiterbewegung” oder “internationaler Kampftag der Arbeiterklasse” wirken doch ganz schön wild, die kommen dann eher aus den Geschichtsbüchern als aus den Tageszeitungen oder dem Facebook Feed.

Allein die kämpferischen Bezeichnungen für diesen Bonus-Sonntag  sind interessant und machen eines deutlich: Berufsorientierung nach heutigen Maßstäben ist ein Luxusproblem! Oder nicht?

Wie sind wir eigentlich zu diesem Bonus-Sonntag gekommen?

Der Tageslohn für einen Fabrikarbeiter beträgt 1886 in Chicago 3 US-Dollar. Dafür kann man zu dieser Zeit ein kleines Abendessen in einem Restaurant kaufen. Die Miete ist davon noch nicht bezahlt. Oder Kleidung, Bücher etc.

Ohne Moos nichts los! Kein Geld im Portemonnaie
Viel Mut oder Verzweiflung braucht ein Arbeiter 1886, um in den Streik für bessere Arbeitsbedingungen zu treten

Kurz vor den ersten Maidemonstrationen überhaupt haben die Gewerkschaften erfolgreich zu einem Generalstreik aufgerufen. Die Arbeitgeber unterliegen erstmals im Kampf gegen die wachsende Solidarität unter den Arbeitern, trotz massiver Maßnahmen wie Massenaussperrungen. Was für ein Einsatz seitens der Arbeiter! Denn der Lohnausfall hatte mit Sicherheit einen viel höheren Preis für den einzelnen als heute. Ein Riesenerfolg für die Gewerkschaften. Gut für den Zulauf der lange geplanten Demonstration am ersten Mai.

Die erste Mai Demo findet am 01. Mai 1886 statt.

„Man kann nicht ewig wie ein Stück Vieh Leben !“  wird August Spies, Mit-Organisator der Mai Demonstrationen, zitiert und bezahlt sein Engagement  für die Arbeiterbewegung später mit seinem Leben. Denn es kommt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen  zwischen Polizei und Demonstranten, sogar einen Bombe wird geworfen, Verletzte und Tote auf beiden Seiten sind das traurige Ergebnis.

Die Organisatoren der Veranstaltung werden angeklagt und zum Teil hingerichtet. 

Ein Jahr später, am 1. Mai 1890, finden Massenstreiks und Massendemonstrationen auf der ganzen Welt statt. 

Arbeiten heute: Ist der Drops gelutscht?

Heute ist der 1. Mai über alle Kontinente und politischen Systeme hinweg ein weit verbreiteter Feiertag. In Deutschland wurde er übrigens durch die Nationalsozialisten zum Feiertag erklärt, da würden wir uns sicher auch einen anderen Ursprung wünschen.

Niemand bei uns muss heute noch 60 Stunden in der Woche allein für seinen Lebensunterhalt arbeiten. Die medizinische und wirtschaftliche Grundversorgung ist für alle sichergestellt, finden wir selbstverständlich. Dabei sind die Kämpfe dafür erst in der jüngeren Geschichte gewonnen worden. Eine riesige Errungenschaft!

Welcher Beruf passt zu mir? Ist Berufsberatung ein Luxusproblem?

In der Berufsberatung  arbeite ich mit Schülern und Abiturienten an der Frage nach ihren Werten, ihren Lebensvorstellungen, was Erfolg für sie bedeutet und so weiter.  Alles Luxusprobleme?

Im Vergleich zu den Fragen, die sich ein Jugendlicher im 19 Jahrhundert stellen konnte, sprechen wir hier ganz sicher von Luxusproblem. Es geht ja nicht ums Überleben, oder doch?

Berufsorientierung: Finde Dein Warum!

Die drittwichtigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit sind depressive Erkrankungen, Burnout   Erkrankungen fallen darunter. 5,7 Personen von jeweils 1000 Versicherten erkranken am Burnout-Syndrom und sind dann im Schnitt 24 Wochen krank. 

Die DAK Gesundheitsstudie 2020 gliedert die Daten ihrer Versicherten noch weiter auf: Natürlich ist die Altersgruppe der Schüler und Abiturienten nicht so stark vertreten wie z.B. die  Altersklasse von uns Eltern. Besorgniserregend ist allerdings: Der Trend geht für alle in die gleiche Richtung – steil nach oben. 

Psychische Erkrankungen stehen damit nicht nur das Gesundheitswesen sondern auch die ganze Gesellschaft vor eine enorme Herausforderung. Das betriebliche Gesundheitsmanagement größerer Unternehmen führt mittlerweile regelmäßig Umfragen zur psychosozialen Belastung durch.

Arbeit, die uns nicht erfüllt, erschöpft uns und macht viele sogar krank.

Die Frage nach dem empfundenen Sinn der Arbeit spielt dabei eine zentrale Rolle.  Denn wenn wir keinen Sinn in unserer Tätigkeit sehen, werden wir viel schneller krank. Die meisten von uns kennen das: Wenn wir keinen Sinn mehr in dem entdecken können, was wir tun, wird es schwierig mit unserer Motivation und -wenn es ganz schlimm kommt- eben auch mit unserer Gesundheit.

Was, wenn wir die Frage nach dem Sinn unserer Arbeit viel früher stellen? 

Natürlich ist eine sinnstiftende Arbeit kein Garant für Lebensglück. Schließlich können wir immer noch krank werden, an falsche Freunde oder Partner gelangen. Aber Arbeit, die Sinn macht, ist schon mal eine gute Voraussetzung für eine hohe Lebenszufriedenheit. 

Wer rechtzeitig die wesentlichen Fragen der  Berufsorientierung für sich beantwortet, kann seinen Job viel bewusster auswählen
Was ist sinnvolle Arbeit? Wer das für sich am Anfang seiner Karriere klärt, kann wesentlich leichter einen Beruf finden, der wirklich gut passt!

Gut also, dass Schulen mittlerweile Berufsorientierung als festen Bestandteil ihres Bildungsauftrags verstehen. Dies sind natürlich immer Angebote, die sich an die ganze Schülergruppe richten  Und damit kann man auch schon viel erreichen. Aber gelutscht ist der Drops dadurch natürlich noch lange nicht.

Wir Eltern sind wichtige Ansprechpartner während der Berufsorientierung!

Wir Eltern dürfen unseren Kindern darüber hinaus immer wieder vermitteln, wie wichtig eine erfüllende Aufgabe für unsere Lebenszufriedenheit ist. Wir sind gefragte Ansprechpartner, wenn es um die Frage der Berufswahl geht. Und da man das ja nicht von allen Themen behaupten kann, können wir uns darüber ja erst einmal freuen. Finde ich.

In diesen Gesprächen sollte der Sinn der eigenen Arbeit eine wichtige Rolle spielen. Wann hast du das letzte mal darüber nachgedacht? Zu oft erzählen wir am Abendbrottisch von der nervigen  Chefin, dem dämlichen Kollegen oder was sonst alles nicht so läuft im Job. Kleinkram eben. Wenn wir dem Sinn der eigenen Arbeit wieder mehr Raum in unseren Gesprächen einräumen, wirkt das in mehrfacher Hinsicht positiv, versprochen!

👉 wenn wir darüber reden, rückt der Gedanke an den (hoffentlich positiven) Sinn unserer Arbeit wieder mehr in den Vordergrund. 

👉 Unsere Stimmung und unsere Motivation steigen, ein positiver Kreislauf kommt in Gang.

👉 Unsere Einstellung zu unserer Arbeit können wir wählen, das vergessen wir oft.

👉 Unsere Gespräche über die Berufsorientierung unserer Kinder bekommen eine ganz andere Färbung.

Sinn machen die Gespräche mit unseren Kindern über die berufliche Zukunft immer, schließlich kennen wir sie ja schon eine Weile. Was wir häufig nicht mehr kennen, sind die ganzen neuen Berufe und Möglichkeiten. Hier hilft die Recherche im Internet.

Nicht immer verläuft dieser Austausch jedoch unter Einhaltung des Familienfriedens. Manchmal werden wir auch schnell ungeduldig miteinander. Die Kinder fühlen sich vielleicht nicht  in ihrer eigenen Persönlichkeit gesehen. Und wir Eltern schauen zu häufig auf die Defizite unserer Kinder  anstatt ihre Stärken zu würdigen. 

Manchmal kann ein Blick von außen helfen. Das kann ein Freund oder eine Freundin der Familie sein oder auch eine  private Berufsberatung.  In jedem Fall kann eine sorgfältige Entscheidung der erste Schritt auf einem Weg in die richtige Richtung sein. 

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